Moin,
Deine Ansprüche an eine Sportcam sind, anders als Du anfangs behauptest, schon
durchaus gehoben.
Ich stelle hier einige Bemerkungen aus eigener Erfahrung mit mehreren Action Cams im Laufe der Jahre rein. Ich nutze die Dinger zwar eher seltener am Fahrrad (am häufigsten beim Gleitschirmfliegen), das dürfte aber den Erfahrungswerten nicht widersprechen.
- Die Full-HD-Auflösung klingt anfangs okay, doch in aller Regel braucht eine halbwegs aktuelle Action Cam mehr Auflösung als das, was Du als Ziel des Ausgabemediums planst. Grund ist die Bildstabilisierung - kaum eine Action Cam hat eine solche auf elektromagnetischer/mechanische Basis, fast alle verrechnen zur Stabilisierung die Gyrosensoren-Werte mit den redundanten Sensorpixeln. Das funktioniert (in der Cam oder im Smartphone/auf dem Mac bzw. PC) inzwischen tatsächlich erstaunlich gut, verringert aber die "Nutzfläche" des Sensors teils erheblich. So bleiben von nominellen 4K nach Stabilisierung vielleicht 2.7K, eventuell noch weniger.
- Thermische Probleme hat jede Action Cam, die eine früher, die andere später. In Bewegung wird die Wärme naturgemäß besser abgeführt als im Stand. Praktisch bei jeder Marken-Cam bekommt man das Problem irgendwie in den Griff. (Die unrühmliche Ausnahme bildet hier die gerade eingestellte DJI Action 2.)
- Die 4 h Aufnahmezeit sind vor allem eine Frage der Stromspeisung. Daher ist eine Cam sinnvoll, die via Powerbank aufgeladen und gleichzeitig betrieben werden kann.
Wie oft Du die 4h am Stück aufnehmen willst, weiß ich natürlich nicht – Du auch nicht, das wirst Du nach dem ersten Auswerten und Schneiden besser wissen. Das ist die eigentliche (Sau-)Arbeit - normalerweise wirst Du nach zwei-drei Mal feststellen, dass Du das ganze Material nicht brauchst und auch nicht wirklich zum Nachbearbeiten kommst.
Sinnvoll ist da schon eher die Loop-Aufnahmefunktion: die Cam filmt immer wieder ein, zwei, drei Minuten "im Kreis" und speichert einige so entstandene Schnipsel auf die Karte. Dann werden die ältesten Schnipsel überschrieben. Wenn Du einen Moment behalten willst (genialer Anblick nach der Kurve oder auch eine gefärhliche Situation), drückst Du nach dem Ereignis kurz die REC-Taste und die letzte Aufnahme wird auf der Karte geschützt verbleiben. Eine Zeitreise-Aufnahme sozusagen. Ich nutze das Feature inzwischen gern.
GoPro hin oder her – GoPro ist weder Monopol noch DIN-Norm. Vor allem in letzter Zeit gibt es ein paar interessante Alternativen. Ich sag nur
Insta360 – und kann die modulare
ONE R bzw. die neue
ONE RS nur empfehlen. Die ONE R ist gerade als Auslaufmodell günstig zu haben. Die Unterschiede zum neuen RS-Modell sind, gerade für Einsteiger, nicht sehr gravierend, vor allem wenn wir die nachfolgenden Vorteile betrachten:
Der (neben der Bildqualität natürlich) wichtigste Vorteil ist die Skalierbarkeit des Systems: Lens/Sensor-Module der ONE R passen auf den Core der neuen RS, umgekehrt ebenfalls, auch die Batteriemodule sind gegenseitig austauschbar. In Zeiten der so oft gezielt herbeigeführten Inkompatibilitäten schon eine ziemlich coole Sache. Außerdem kannst Du mit der ONE R/RS klein anfangen (mit dem ganz normalen 4K-WW-Modul) und dann je nach Bedarf das 1"-Leica-Modul (
fantastische Bildqualität) oder eines der beiden exzellenten 360°-Module hinzufügen.
Die Insta360 R/RS nutzt die verbreiteten GoPro-"Finger" zur Befestigung, d.h. Du brauchst keine herstellereigene Hardware zur Montage, sondern kannst aus dem gigantischen Drittanbieter-Zubehörprogramm schöpfen.
Das Hitzeproblem hat auch die Insta360, wobei das neue RS-Gehäuse (passend auch für die R) die Überhitzung schon wirksam verhindert – vergangenen Sommer in Italien filmte meine RS mit 5.7k (Leica-Modul, in Bewegung) auch bei 40° Außentemperatur ohne Aussetzer und ohne unfreiwillige Abschaltungen durch.
Streaming kann die R/RS ab Werk auch, wobei ich diese Funktion noch nie in der Praxis verwendet habe. Beim Aktivieren dieser Funktion warnt die Kamera vor extrem erhöhtem Stromverbrauch und schnellerÜberhitzung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass andere Hersteller es besser lösen –*die Physik setzt hier nun mal Grenzen.
Schon eher nützlich ist die Webcam-Funktionalität – geht (jedenfalls am Mac) nativ per Plug&Play und bietet eine einfache, aber ordentliche "Zoom"-Funktion (Weitwinkel für Gruppen, kleinerer Abschnitt für Einzelperson) – die nutze ich oft und gern, vor allem mit der RS/Leica-Modul-Kombination.
Parallele Aufzeichnung auf dem Smartphone bietet keine mir bekannte Action Cam, sowas wäre auch der Bildqualität und vor allem der Akkulaufzeit nicht unbedingt förderlich. Sowas kenne ich nur von Spielzeug-Drohnen im Stil einer Tello DJI, die grundsätzlich nur auf dem Smartphone aufzeichnen können; auf so ein Feature kann ich gern verzichten, ist in der Praxis recht lästig. Es würde alle denkbaren Nachteile bringen: herabgesetzte Bildqualität, verringerten Datendurchsatz, erhöhter Stromverbrauch, schnelleres Überhitzen, spontanes Aufnehmen faktisch unmöglich - ohne nennenswerte Vorteile.
Sinnvoll ist einzig, den GPS-Track am Handy (oder mit der Smartwatch) aufzuzeichnen und den Track nachträglich der Aufnahme hinzufügen. Das machen die meisten den Kamera zugehörigen Apps automatisch. So kannst Du eine Cam ohne eingebauten GPS-Empfänger kaufen (oder diesen, wenn vorhanden, ausschalten – spart immens Batteriestrom) und hast kein Kreuz mit dem ständigen Aktualisieren des Assisted GPS in der Kamera.
Alles in allem kann ich eine modulare Action Cam ob ihrer Flexibilität und Erweiterbarkeit auf jeden Fall empfehlen und wurde sie heutzutage jeder nach dem langsam obsolet werdenden GoPro-Prinzip vorziehen.
Fragen? Fragen!
Exclusio: meine ONE R und RS habe ich privat gekauft und stehe, außer als Kunde, in keiner geschäftlichen Beziehung zu INSTA360 oder deren Händler.