Ich fotografiere seit ca. 18 Jahren beruflich, Hochzeiten sind eines meiner Kerngebiete (knapp 400 Stück jeglicher Couleur - da hast du ALLES schon mal erlebt). Abgesehen von der Technikfrage, ganz direkt: Ich kann dir wie meine Vorposter nur absolut ans Herz legen: ERLEBE die Hochzeit, jede Sekunde davon - und zwar mit deiner Netzhaut, mit dem Herzen und nicht durch deinen Sucher. Ich weiß, das war nicht die eigentliche Frage - und es soll dir auch keinerlei fotografische Kompetenz absprechen, denn schließlich kenne ich dich und deine Skills nicht. Was ich aber Jahr für Jahr immer wieder sehe sind gestresste, überfordete, oft sogar vor Situationspanik schwitzende und verzweifelte Papas und Opas, die gefühlt 2/3 der Trauung (oder des Eröffnungstanzes, des Kuchenanschnitts, etc etc.) komplett durch das Display erleben, während sie mit hektischem Einstellen und (leider dank meist sehr unroutinierten Marschrouten innerhalb der Kirche) auch oft in der Zeremonie negativ auffallen. Und immer wieder hört man im Nachgang genau von solchen Geschichten: "Papa hat viel gar nicht mitbekommen"
Das Thema Hochzeit ist in meinen Augen bei vielen Fotografen und auch Laien massiv unterschätzt, wird gar oft belächelt. Hochzeit ist Krieg für Mensch und Maschine - du kämpfst permanent mit unerwarteten Dingen, absolutem Zeitdruck, nicht vorhandener Wiederholbarkeit und oft unfassbar besch**** Lichtsituationen, für die du nichts kannst. Du bist, egal wie gut du fotografierst, unzähligen äußeren Bedingungen ausgeliefert. Ich verspüre auch nach so langer Zeit auf Hochzeiten noch massiv mehr Druck, als z.B. bei wichtigen Firmenshootings mit wirklich enorm anspruchsvollen Businesskunden, vor denen man ja eigentlich auch massiv Respekt hat. Ich finde ebenso, dass gerade bei Hochzeiten Erfahrung total wichtig ist - du weißt wo du wann stehen musst, wie und wann du dich sinnvoll bewegst, welche Workarounds du bereits beim Fotografieren für die spätere EBVs machen kannst, etc. Das Beherrschen der Kamera, das Einschätzen und Spielen mit dem dir gegebenen Licht und und immer schon vorauszuahnen, welches Objektiv gleich am Body kleben muss, ist dann irgendwann schon im FF. Ich vergleiche es oft mit dem Führerschein als junger Bengel - damals war jeder Handgriff richtig kompliziert, später musst du nicht mehr nachdenken wie man kuppelt oder schaltet. Erst dann bist du sicher, bei dem was du tust.
Ich war in Kirchen, bei denen selbst 1.4er FBs an die ISO-Kotzgrenzen führten. Mit 2.8 oder gar 4? Undenkbar, technisch bzw. physikalisch schlicht fast nicht mehr machbar. Fast jeder Pfarrer untersagt dir das Blitzen - und selbst wenn erlaubt und indirekt, würde ich es niemals tun. Oder umgekehrt: Tolle Kirche, hell, traumhafter Sonnentag. Kann nix schiefgehen, oder? Dachte ich auch, bis die Konstellationen Sonnenstand + Seitenfenster dazu führte, dass mitten im Juni die Braut ungefiltert auf die rechte Gesichtsseite die volle Dröhnung Sommersonne bekam, während der Bräutigam (und dann ausgerechnet auch noch partiell) mit dem Gesicht in ihrem Schatten saß. Auch hier, Dynamikumfang und RAW hin oder her - du wirst in diesem Moment verzweifeln - auch wenn das Objektiv hier natürlich irrelevant ist. Standesämter sind oft nicht besser - miese Beleuchtung, manchmal Mischlicht wegen verschiedenen LEDs oder gar Flackern / Bildstreifen durch die Wiederholfrquenz, bei der du sofort richtig reagieren musst um überhaupt ein verwertbares Foto zu bekommen. Location mit farbigen Decken, die aber indirektes Blitzen erforderte - ihgitt. Trauung unter einem orangen Sonnenschirm in der Mittagssonne - aua.
Kurz gesagt: Ich verstehe TOTAL dass du als Papa dort auch fotografieren willst, zumal du ja offenbar ein Fotografie-Fan bist. Aber selbst der talentierteste Papa kann einen erfahrenen (und gut ausgewählten) Profi mit Hochzeitserfahrung kaum schlagen - ich finde, das ist es nicht wert, auch nur eine Sekunde der wichtigsten Hochzeitsmomente seines eigenen Kindes mit Elektronik in der Hand zu verbringen. Okay, was ich persönlich vielleicht machen würde: Schleich dich im Tagesverlauf doch einfach später ungezwungen reportagemäßig herum. Ich würde den Profi die "Hauptatraktionen" machen lassen, die auch für dich als Papa am emotionalsten sind (und für das Brautpaar in Sachen Erinnerungen ebenso verdammt wichtig). Wenn man bei der Feier oder beim Sektempfang ein wenig mitfotografiert oder am Nachmittag ein paar Grüppchen oder Detailshots macht ist das etwas anderes. Lustigerweise: Selbst da wüsste ich nicht, ob 24-120 oder 35er. Mit einem kriegst du fast alles was du willst, mit dem anderen kriegst du es aber wenn es zum Motiv passt noch schöner hin. Ich liebe Reportagen mit 35/50/85ern in Sachen Look abgöttisch, trotzdem hängt noch das 70-200 2.8 dran. Wie man sieht: Selbst hier wirst du wohl immer etwas vermissen, wenn du nicht beide Objektive nutzt. Wenn dir wirklich nur eines möglich ist, würde ich wohl schweren Herzens doch zum 24-120 greifen. Einfach weil du durch die Variabilität mehr erwischen wirst und am Ende viele Nicht-Fotografen sowieso wenig interessieren wird, was die wundervolle, räumliche Freistellung einer Festbrennweite ausmacht.
Das Thema "EIN Glas für eine Hochzeit" ist eben genau das Problem. Ich wäre unfassbar froh, wenn ich nicht jedes Mal für unzählige Stunden einen Rucksack mit zig Objektiven herumschleppen müsste. Möglich ist alles und es gibt durchaus Kollegen, die aus Prinzip mit einer FB auf Hochzeiten herumlaufen. Es ist aber nicht wegzudiskutieren, dass viele Motive dann durch die Lappen gehen bzw nicht umsetzbar sind - oder schlichtweg sehr kompromissbehaftet werden. Ich liebe mein 35er und 85er -würde am liebsten nur damit fotografieren. Es wird der Moment kommen, wo du auf 24mm gehen MUSST oder dir bei einem f4-Zoom das Licht ausgeht.
Was ich immer dabei habe:
35/50/85mm Festbrennweiten + 24-70 und 70-200 2.8. Das 16-35 (noch an Nikon F) ist vorhanden, brauche ich aber extrem selten. 28er FB kann auch manchmal gut sein, kann aber meist gut durchs 24-70 ersetzt werden (außer eben es wird sehr dunkel..). Gibt es keine Extremsituationen in Sachen Lichtmangel, kann man durchaus mit der Zoom-Kombo "24-200" und f2.8 eine ganze Hochzeit gut über die Bühne bringen.
Kleine Anekdote dazu: Einmal musste ich den "One Lens-Spaß" mitmachen, ohne es zu wollen. Equipment im Kofferraum, Kamera noch in einem Korb im Fußraum. Ankunft an der Kirche: Kofferraumschloss defekt. Bei dieser Mistkarre gab es keinen Öffner von außen, ebenso kam man nicht über die Rückbank ran. Ende vom Lied: Ich musste die komplette restliche Hochzeit mit einem Objektiv fotografieren und hatte dabei noch massives Glück, dass es das 24-70 2.8 (+Blitz für indirektes Blitzen) war und keine kompletten Lichtprobleme auftraten. Man lernt nie aus - seit diesem Tag sind die Backup-Bodys auf Innenraum und Kofferraum aufgeteilt. Der Tag war mit dem 24-70 machbar - aber das war auch wirklich noch die bestmögliche Unglücksvariante, die man erwischen hätte können. Nicht auszudenken, was passiert wäre wenn nur das 70-200 auf der Kamera gesteckt wäre. Fun-Fact: Speziell bei dieser Location hätte ich mich auch mit dem 35er only durchmogeln können. Das funktioniert aber eben leider NICHT immer, was direkt zeigt, wie schwer allgemeingültige Aussagen sind. Hatte mal so wenig Platz im Altarraum (einmal auch im Standesamt, direkt nahe der Wand), dass 24mm schlichtweg sein MUSSTEN.
Wenn du Kirche, Location und Co. im Voraus besichtigst kannst du vielleicht auch besser einschätzen, wie es mit Blende 4 so aussieht. Teste dich durch, das wird dir etwas Sorge vor Ungewissheit nehmen können. In Kirchen oder Locations geht das ja oft ganz gut, sofern betretbar. Was du dann aber immer noch bedenken musst: Teste zur gleichen Tageszeit und identischem Sonnenstand, damit du z.B. Schattenverläufe in Innenhöfen, Kirchen (Seitenfenster!) und Co. auch so siehst, wie sie später sein werden. Was an einem Vormittag im Mai eine tolle Location ist, kann z.B. Nachmittags oder im Herbst ein absolut grauenvolles Lichtsetting sein. Der schönste Brauttisch an der Fensterfront im goldenen Gegenlicht oder die herrlichste Wiese für die freie Trauung, die im Herbst noch super war, kann dich im Juni bei Mittagssonne um 12 killen. Spielverderbespruch direkt hinterher: Beruhigendes Spotting klappt auch nur, wenn das Wetter am Hochzeitstag gleich ist ;-)
Ich hoffe, der Text kam nicht falsch herüber - das sollte absolut kein übermäßiges belehren oder warnen von "oben herab" sein, sondern wirklich ein ernstgemeinter Ratschlag auf Basis vieler Jahre an Beobachtung. Halte dich zurück, ohne unglücklich zu sein, dass du die Kamera nicht schwingst. Wenn du es machst, mach es OHNE Druck und nicht in Momenten, an die du dich noch in Jahren erinnern möchtest. Mir tut es immer wieder total leid wenn ich sehe, wie sehr manche Familienmitglieder auf den Hochzeiten ihrer Kinder mit Elektronik verbringen. Ich selbst bin selten Gast auf Hochzeiten - mein bester Freund seit Kindesbeinen hat es mir bei seiner VERBOTEN zu fotografieren. Seine Worte, obwohl er die Fotos lieben würde: Ich will dich als Mensch, als Gast - nicht als Fotograf. Meine ehrliche Meinung dazu: Er hat Recht. Beides GEHT nicht, es wird immer eine halbe Sache sein.