benjorito
Themenersteller
Hi zusammen,
seit einiger Zeit befasse ich mich mit Konzertfotografie, und habe mittlerweile auch einige Konzerte, sowohl mit als auch ohne Akkreditierung, hinter mir.
Ich habe sehr viel ausprobiert, und möchte Euch hier kurz das Ergebnis präsentieren, das für mich persönlich den geringsten Ausschuss verursacht hat. Ich selbst habe nach einem solchen "Anregungsthread" zu Anfang gesucht und nicht gefunden, daher dieser Beitrag.
Natürlich soll hieraus eine fruchtbare Diskussion entstehen, allerdings eine kurze Vorbemerkung, um einigen Kommentaren vorzubeugen: Diese Einstellungen haben sich für mich, in Verbindung mit meiner Kamera, bei den Konzerten (Bereich Metal, Punk, Hardrock, usw.), bei denen ich fotografiere, etc. am besten bewährt. Dies kann und wird natürlich individuell anders sein. Dieser Thread soll einen Anhaltspunkt, bzw. eine Ausgangsposition vermitteln.
In meinem Fall wurde fotografiert mit einer Canon EOS 50D, einem EF 70-200mm/4,0L USM (Non-IS) oder einem EF 50mm/1,4 USM.
1.) Modus:
Ich wähle hier, entgegengesetzt meiner sonstigen Gewohnheit, den Tv-Modus. Als Orientierung dient mir, wie immer, die Brennweite. Meistens gehe ich auch bei großen Veranstaltungen nicht über 150mm hinaus, also wähle ich sicherheitshalber 1/250 Sekunde vor. Die Kamera wird nun aufgrund des permanent schlechten Lichtes die Offenblende wählen (also das, was ich auch manuell im Av-Modus tun würde). Zusätzlich stelle ich die ISO auf Auto, und habe nun den Vorteil, nicht andauernd die Verschlusszeit und ISO im Auge behalten zu müssen, ich bin praktisch immer auf der sicheren Seite.
Achtung: Auto ISO geht bei der 50D bis max. ISO 1600. Ist hierfür das Licht zu schwach, muss umdisponiert werden. Auch bei ruhigen Musikern und kleinen Bühnen (=kürzerer Brennweite) ist die 1/250 Sekunde übertrieben, ebenfalls bei Einsatz eines IS. Aber nochmal zur Erinnerung, der IS kompensiert Euer Verwackeln...einen Jamie von Hatebreed kriegt Ihr trotz IS nur jenseits 1/500 Sekunde scharf!
Generell ist 1/160 - 1/200 Sekunde das Längste, was Ihr bei schneller Musik vorwählen solltet, um sicher zu gehen.
Desweiteren habt Ihr bei dieser Herangehensweise keinen Einfluss auf die Schärfentiefe. Ihr stellt einen Musiker zwar fast immer wunderschön frei, wollt Ihr aber mehrere Musiker, die hintereinander stehen, durchgehend scharf abbilden, müsst Ihr in den Av-Modus wechseln und weiter abblenden.
2.) AF-Modus:
Ich bin mittlerweile von Oneshot-AF fast völlig weg. Ok, bei Stativeinsatz und einem Landschaftsbild macht er Sinn, bei Konzerten fotografiere ich im AI-SERVO. Musiker bewegen sich, im Graben ist es eng, also ist die Schärfenachführung die beste Wahl.
3.) AF-Feld:
Immer wieder hört man, dass Fotografen nur das mittlere AF-Feld verwenden. Man kann wie so oft im Leben nicht schwarz-weiß malen, will heißen, natürlich gibt es Situationen, wo diese Vorgehensweise Sinn macht und gut gehen kann. Bei Konzerten ist das meines Erachtens nicht der Fall.
Ich habe mir bei meiner 50D die AF-Feld-Wahl auf den Multicontroller gelegt. So kann ich schnellstmöglich das Feld wechseln, und siehe da, es ist der Erfahrung nach eher selten das mittlere Feld. Im Querformat ist es das Obere, im Hochformat das ganz rechte Feld, da ich ja für gewöhnlich auf das Gesicht fokussiere.
Ganz problematisch ist das Verschwenken, also mit dem mittleren Feld anmessen, und dann den Ausschnitt neu wählen. Zum einen wird bei Offenblende fast immer das Gesicht des Musikers aus der Schärfenebene rutschen, zum anderen speichert die Kamera (ohne Anpassung der C.Fn IV-I, dazu später mehr) im Oneshot-AF und der Mehrfeldmessung die Belichtung, und die ändert sich schnell auf der Bühne! Häufig habt Ihr auch nur den Mikrofonständer vor dem Gesicht scharf, auf den gilt es also besonders aufzupassen.
4.) Messmethode:
Nachdem ich hier viel experimentiert habe, wähle ich nur noch die Matrix-, bzw. Mehrfeldmessung. Ich komme hier einfach zu den ausgewogensten Ergebnissen, da zum einen die komplette Bühnenbeleuchtung einbezogen wird, aber zum anderen das aktive AF-Feld, welches ich ja manuell auf das Gesicht des Musikers gelegt habe, stärker gewichtet wird (also genau das, was ich eigentlich möchte).
5.) Einzelbild oder Reihenaufnahme?
Kurz und knapp, ich nehme die schnelle Reihenaufnahme. Ich habe oft das Argument gelesen, dass man doch bitte bewußt den richtigen Moment des Auslösens bestimmen, und nicht einfach "Dauerfeuer" schießen soll, aber ich frage mich da, wie praktikabel das ist, bzw. was mir da an guten Bildern entgeht!? Wenn jemand der Meinung ist, damit bin ich kein "echter Fotograf", dann kann ich damit gut leben!
6.) Custom-Funktionen
Nun kommt der vielleicht wichtigste Teil, die Anpassung der individuellen Kameraeinstellungen auf die Bedürfnisse der Konzertfotografie.
Zunächst habe ich mir, wie oben bereits erwähnt, die AF-Feld-Wahl auf den Multicontroller gelegt (C.Fn III-3 auf 1). Das Schnelleinstellmenü rufe ich nun mit der SET-Taste auf (C.Fn IV-3 auf 5).
Nun habe ich die Einstellung C.Fn IV-1 auf 3 geändert. Was passiert hier? Der Autofokus und der Start der Belichtungsmessung liegen nun nicht mehr auf dem halb durchgedrückten Auslöser, sondern auf der AF-ON-Taste. Ich halte also praktisch mit meinem Daumen den Autofokus in Bewegung, und messe permanent die Belichtung, auch in der Mehrfeldmessung. Der halb durchgedrückte Auslöser speichert die Belichtung auf Wunsch (zuvor die *-Taste), also in der Praxis wird die Belichtung erst ganz kurz vor dem eigentlichen Auslösen festgelegt, was wie gesagt, bei schnell wechselnder Bühnenbeleuchtung von Vorteil ist.
Zuletzt habe ich, da ich einen Batteriegriff verwende, die Funktion der AF-ON-Taste und der *-Taste vertauscht (C.Fn IV-2 auf 1), um auch im Hochformat auf diese Weise arbeiten zu können (der original Canon Batteriegriff hat im Hochformat keine AF-ON-Taste).
7.) RAW und Belichtungskorrektur:
Auch hier gibt es viele Meinungen. Ich fotografiere in RAW, um insbesondere bei Fehlbelichtungen wie abgesoffenen Schatten oder ausgefressenen Lichtern noch den größtmöglichen Korrekturspielraum zu haben. Zudem korrigiere ich pauschal meine Belichtung um 0,67 LV nach unten um zu verhindern, dass mir insbesondere die roten Lichter überstrahlen. Wie gesagt, bei der RAW-Entwickung ist eine Korrektur um 0,67 LV meist gar kein Problem. Ein netter Nebeneffekt ist, dass ich bei dieser Belichtungskorrektur die ISO etwas weiter unten halte (oder die Belichtungszeit kürzer), und meistens wirkt bei Konzertfotos eine leichte Unterbelichtung eh stimmungsvoller.
8.) Rauscht es?
Es wird Situationen geben, die High-ISO einfach unumgänglich machen. Abhilfe schaftt eine Kamera mit Vollformatsensor, aber auch die wird Euch bei ISO 3200 nicht mehr völlig begeistern können. Es gibt zudem Programme wie Noise Ninja, DFine oder Noiseware, mit denen hier im Nachhinein Abhilfe geschaffen werden kann, aber immer zulasten der hart erkämpften Schärfe. Ein Tip: Stark rauschende Bilder solltet Ihr probeweise in Schwarzweiss konvertieren (natürlich gerne auch nicht-rauschende Bilder
). Meist ist die Wirkung plötzlich eine völlig andere, und mit einem Mal unterstützt das Rauschen die Bildwirkung und wirkt gar nicht mehr störend.
9.) Blitz?
"Three Songs, no Flash" sagt eigentlich alles, oder?
Es ist nervig für die Musiker, zerstört fast immer die Atmosphäre und ist daher zurecht fast immer untersagt. Seht es als Herausforderung.
_
Das waren meine Einstellungen. Ich hoffe, dem Einen oder Anderen hilft dies weiter. Wenn Ihr Ergänzungen habt oder Fehler findet, bitte her damit, ich korrigieren dann den Ausgangspost, da erfahrungsgemäß nicht immer der komplette Thread gelesen wird.
Viele Grüße und viel Erfolg beim nächsten Konzert,
Ben
seit einiger Zeit befasse ich mich mit Konzertfotografie, und habe mittlerweile auch einige Konzerte, sowohl mit als auch ohne Akkreditierung, hinter mir.
Ich habe sehr viel ausprobiert, und möchte Euch hier kurz das Ergebnis präsentieren, das für mich persönlich den geringsten Ausschuss verursacht hat. Ich selbst habe nach einem solchen "Anregungsthread" zu Anfang gesucht und nicht gefunden, daher dieser Beitrag.
Natürlich soll hieraus eine fruchtbare Diskussion entstehen, allerdings eine kurze Vorbemerkung, um einigen Kommentaren vorzubeugen: Diese Einstellungen haben sich für mich, in Verbindung mit meiner Kamera, bei den Konzerten (Bereich Metal, Punk, Hardrock, usw.), bei denen ich fotografiere, etc. am besten bewährt. Dies kann und wird natürlich individuell anders sein. Dieser Thread soll einen Anhaltspunkt, bzw. eine Ausgangsposition vermitteln.

In meinem Fall wurde fotografiert mit einer Canon EOS 50D, einem EF 70-200mm/4,0L USM (Non-IS) oder einem EF 50mm/1,4 USM.
1.) Modus:
Ich wähle hier, entgegengesetzt meiner sonstigen Gewohnheit, den Tv-Modus. Als Orientierung dient mir, wie immer, die Brennweite. Meistens gehe ich auch bei großen Veranstaltungen nicht über 150mm hinaus, also wähle ich sicherheitshalber 1/250 Sekunde vor. Die Kamera wird nun aufgrund des permanent schlechten Lichtes die Offenblende wählen (also das, was ich auch manuell im Av-Modus tun würde). Zusätzlich stelle ich die ISO auf Auto, und habe nun den Vorteil, nicht andauernd die Verschlusszeit und ISO im Auge behalten zu müssen, ich bin praktisch immer auf der sicheren Seite.
Achtung: Auto ISO geht bei der 50D bis max. ISO 1600. Ist hierfür das Licht zu schwach, muss umdisponiert werden. Auch bei ruhigen Musikern und kleinen Bühnen (=kürzerer Brennweite) ist die 1/250 Sekunde übertrieben, ebenfalls bei Einsatz eines IS. Aber nochmal zur Erinnerung, der IS kompensiert Euer Verwackeln...einen Jamie von Hatebreed kriegt Ihr trotz IS nur jenseits 1/500 Sekunde scharf!

Desweiteren habt Ihr bei dieser Herangehensweise keinen Einfluss auf die Schärfentiefe. Ihr stellt einen Musiker zwar fast immer wunderschön frei, wollt Ihr aber mehrere Musiker, die hintereinander stehen, durchgehend scharf abbilden, müsst Ihr in den Av-Modus wechseln und weiter abblenden.
2.) AF-Modus:
Ich bin mittlerweile von Oneshot-AF fast völlig weg. Ok, bei Stativeinsatz und einem Landschaftsbild macht er Sinn, bei Konzerten fotografiere ich im AI-SERVO. Musiker bewegen sich, im Graben ist es eng, also ist die Schärfenachführung die beste Wahl.
3.) AF-Feld:
Immer wieder hört man, dass Fotografen nur das mittlere AF-Feld verwenden. Man kann wie so oft im Leben nicht schwarz-weiß malen, will heißen, natürlich gibt es Situationen, wo diese Vorgehensweise Sinn macht und gut gehen kann. Bei Konzerten ist das meines Erachtens nicht der Fall.
Ich habe mir bei meiner 50D die AF-Feld-Wahl auf den Multicontroller gelegt. So kann ich schnellstmöglich das Feld wechseln, und siehe da, es ist der Erfahrung nach eher selten das mittlere Feld. Im Querformat ist es das Obere, im Hochformat das ganz rechte Feld, da ich ja für gewöhnlich auf das Gesicht fokussiere.
Ganz problematisch ist das Verschwenken, also mit dem mittleren Feld anmessen, und dann den Ausschnitt neu wählen. Zum einen wird bei Offenblende fast immer das Gesicht des Musikers aus der Schärfenebene rutschen, zum anderen speichert die Kamera (ohne Anpassung der C.Fn IV-I, dazu später mehr) im Oneshot-AF und der Mehrfeldmessung die Belichtung, und die ändert sich schnell auf der Bühne! Häufig habt Ihr auch nur den Mikrofonständer vor dem Gesicht scharf, auf den gilt es also besonders aufzupassen.
4.) Messmethode:
Nachdem ich hier viel experimentiert habe, wähle ich nur noch die Matrix-, bzw. Mehrfeldmessung. Ich komme hier einfach zu den ausgewogensten Ergebnissen, da zum einen die komplette Bühnenbeleuchtung einbezogen wird, aber zum anderen das aktive AF-Feld, welches ich ja manuell auf das Gesicht des Musikers gelegt habe, stärker gewichtet wird (also genau das, was ich eigentlich möchte).
5.) Einzelbild oder Reihenaufnahme?
Kurz und knapp, ich nehme die schnelle Reihenaufnahme. Ich habe oft das Argument gelesen, dass man doch bitte bewußt den richtigen Moment des Auslösens bestimmen, und nicht einfach "Dauerfeuer" schießen soll, aber ich frage mich da, wie praktikabel das ist, bzw. was mir da an guten Bildern entgeht!? Wenn jemand der Meinung ist, damit bin ich kein "echter Fotograf", dann kann ich damit gut leben!

6.) Custom-Funktionen
Nun kommt der vielleicht wichtigste Teil, die Anpassung der individuellen Kameraeinstellungen auf die Bedürfnisse der Konzertfotografie.
Zunächst habe ich mir, wie oben bereits erwähnt, die AF-Feld-Wahl auf den Multicontroller gelegt (C.Fn III-3 auf 1). Das Schnelleinstellmenü rufe ich nun mit der SET-Taste auf (C.Fn IV-3 auf 5).
Nun habe ich die Einstellung C.Fn IV-1 auf 3 geändert. Was passiert hier? Der Autofokus und der Start der Belichtungsmessung liegen nun nicht mehr auf dem halb durchgedrückten Auslöser, sondern auf der AF-ON-Taste. Ich halte also praktisch mit meinem Daumen den Autofokus in Bewegung, und messe permanent die Belichtung, auch in der Mehrfeldmessung. Der halb durchgedrückte Auslöser speichert die Belichtung auf Wunsch (zuvor die *-Taste), also in der Praxis wird die Belichtung erst ganz kurz vor dem eigentlichen Auslösen festgelegt, was wie gesagt, bei schnell wechselnder Bühnenbeleuchtung von Vorteil ist.
Zuletzt habe ich, da ich einen Batteriegriff verwende, die Funktion der AF-ON-Taste und der *-Taste vertauscht (C.Fn IV-2 auf 1), um auch im Hochformat auf diese Weise arbeiten zu können (der original Canon Batteriegriff hat im Hochformat keine AF-ON-Taste).
7.) RAW und Belichtungskorrektur:
Auch hier gibt es viele Meinungen. Ich fotografiere in RAW, um insbesondere bei Fehlbelichtungen wie abgesoffenen Schatten oder ausgefressenen Lichtern noch den größtmöglichen Korrekturspielraum zu haben. Zudem korrigiere ich pauschal meine Belichtung um 0,67 LV nach unten um zu verhindern, dass mir insbesondere die roten Lichter überstrahlen. Wie gesagt, bei der RAW-Entwickung ist eine Korrektur um 0,67 LV meist gar kein Problem. Ein netter Nebeneffekt ist, dass ich bei dieser Belichtungskorrektur die ISO etwas weiter unten halte (oder die Belichtungszeit kürzer), und meistens wirkt bei Konzertfotos eine leichte Unterbelichtung eh stimmungsvoller.
8.) Rauscht es?
Es wird Situationen geben, die High-ISO einfach unumgänglich machen. Abhilfe schaftt eine Kamera mit Vollformatsensor, aber auch die wird Euch bei ISO 3200 nicht mehr völlig begeistern können. Es gibt zudem Programme wie Noise Ninja, DFine oder Noiseware, mit denen hier im Nachhinein Abhilfe geschaffen werden kann, aber immer zulasten der hart erkämpften Schärfe. Ein Tip: Stark rauschende Bilder solltet Ihr probeweise in Schwarzweiss konvertieren (natürlich gerne auch nicht-rauschende Bilder

9.) Blitz?
"Three Songs, no Flash" sagt eigentlich alles, oder?

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Das waren meine Einstellungen. Ich hoffe, dem Einen oder Anderen hilft dies weiter. Wenn Ihr Ergänzungen habt oder Fehler findet, bitte her damit, ich korrigieren dann den Ausgangspost, da erfahrungsgemäß nicht immer der komplette Thread gelesen wird.
Viele Grüße und viel Erfolg beim nächsten Konzert,
Ben