LVZ:
Denkmalgeschützes Fabrikgebäude wird morgen für den Neubau von Gondwanaland gesprengt
Gesprengt wird morgen früh um 8 Uhr das Hochhaus auf dem früheren Orsta-Hydraulik-Gelände an der Pfaffendorfer Straße. Ein Rums mit vielerlei Folgen: Der Zoo freut sich, dass Baufreiheit für die Riesentropenhalle Gondwanaland entsteht. Das Stadtforum Leipzig beklagt, dass ein weiteres wichtiges Industriedenkmal zerstört wird. Die Elefantenpfleger hoffen, dass ihre sensiblen Schützlinge den Knall gut verkraften. Der Sprengmeister erwartet, dass durch die Detonation das Gebäude nach vorn angekippt wird und Richtung Pfaffendorfer Straße in sich zusammenstürzt. In jedem Fall bleiben etwa 10 000 Tonnen Bauschutt übrig.
Vier Sprengmeister sind morgen vor Ort. Verantwortlich ist Martin Hopfe aus Thüringen, der Sprengmeister schlechthin ? er ist Vorsitzender des Sprengausschusses im Deutschen Abbruchverband. Seit acht Wochen wurde das denkmalgeschützte Gebäude ? das einst die Leipziger Kammgarnspinnerei beherbergte ? entkernt und von Glaselementen befreit. In den letzten drei Tagen und Nächten vor der Sprengung sind schließlich 440 Löcher gebohrt worden, auf die 150 Kilogramm Sprengstoff mit 460 Zündern verteilt werden. Um die Staubwolke einzudämmen, kommen Wasserwerfer zum Einsatz, die eine zwölf Meter hohe V-förmige Wasserwand bilden.
Die Bewohner der umliegenden Häuser können in ihren Wohnungen bleiben, sollen aber Fenster und Türen schließen und in die rückwärtigen Räumen gehen. Die Bewohner des Elefantentempels, die auf Geräusche immer so schreckhaft reagieren, müssen geradezu in ihrer Wohnung bleiben. Zoosprecherin Kathleen Raschke: ?Seit sechs Wochen wurden die Elefanten mit Musikeinspielungen auf ungewohnten Lärm vorbereitet.? Jeden Morgen während des Saubermachens werden die Dickhäuter eine Stunde lang beschallt, mal mit Heavy Metal, mal mit Neuer Deutscher Welle, Klassik oder indischen Klängen. Denn die Sprengung ist ja erst der Startschuss für das umfangreiche Baugeschehen zum Gondwanaland. Welcher Architektenentwurf gebaut wird, steht übrigens immer noch nicht fest, die Verhandlungen sind im Gange.
Das Stadtforum Leipzig ? dem engagierte Architekten und Bürgervereine angehören ? kritisiert die Vernichtung wertvoller Industriearchitektur. Der 72 Meter lange, 26 Meter hohe und 23 Meter breite Stahlbeton-Skelettbau sei selbst für Leipzig in dieser Größe einzigartig, heißt es in einer öffentlichen Erklärung. Die Kammgarnspinnerei Leipzig, 1830 gegründet, war eine der ältesten ihrer Art in Deutschland. Das Stadtforum beklagt, dass Stadtverwaltung, Zoo und Denkmalbehörden offenbar intern zu der Erkenntnis kamen, dass es keine Alternative zum Abriss gebe. Es habe keine öffentliche Diskussion und Ideenfindung darüber stattgefunden, ob das Denkmalensemble erhalten bleiben und in die neue Halle integriert werden könnte.
Der Zoo hatte das Grundstück, auf dem zuletzt das Orsta-Hydraulik-Werk ansässig war, 2005 von der Treuhand für 775 000 Euro gekauft.
Kerstin Decker