AW: Fotos an Zeitung verkaufen?
Auf jedenfall hab ich die Bilder dann nach etwa 2h der Zeitung (lokal) gesendet. Auf dem Internet waren dann nur die Fotos des "L-Fotografen". Doch als ich heute Mittag nach Hause kam erlebte ich die grosse Erstaunung, als ich zwei meiner Fotos (eines ganz gross) in der Zeitung sah

. Das ist das erste mal, wo ich überhaupt meine Fotos an eine Zeitung sende. [...]
Und wie funktionniert das mit der Bezahlung, bis jetzt hat sich noch niemand gemeldet.
Herzlichen Glückwunsch, du hast kostenlos deine Bildrechte an die Zeitung abgegeben und der Fotograf bekommt keinen Cent. Du hast der Zeitung die Bilder ohne weitere Angaben geschickt - weder, wie viel du haben willst, noch, ob dein Name drunter stehen soll. Das ist der Freifahrtsschein für die Zeitung. Da du keine Bedingungen gestellt hast, wirst du für die Bilder keinen Cent sehen.
Dem Fotografen allerdings, der extra dahin gefahren ist, hast du damit "den Job" weggenommen. Der hatte die Spritkosten, ebenfalls die Materialkosten - nur mit dem Unterschied, dass er davon lebt und du nicht. Und er hat hier nun kein Geld bekommen - du aber auch nicht.
Mein Tipp für dich: Wenn du das nächste Mal irgendwo vorbei kommst, dann mach von mir aus auch wieder Bilder. Aber dann ruf erst in der Redaktion an, frag, ob Interesse besteht und kläre die Sache vorher. Denn leider wird das Fotografengeschäft (gerade auf der Lokalzeitungsebene) dadurch ruiniert.
Der folgende Text ist jetzt absolut nicht gegen dich gerichtet, sondern generell eher gegen die Leute, die meinen, bei Unglücksfällen einfach so fotografieren zu müssen. Ihr müsst euch folgendes vor Augen führen.
Wir haben Mittwochnacht,
3:30 Uhr:
Es brennt der Dachstuhl eines Hauses in deiner Straße "Gottfried-Wilhelm-Weg" in Schaffhausen.
3:35 Uhr:
Du wirst durch den Lärm der Feuerwehr wach, gehst raus und guckst. Weil du sowieso nicht schlafen könntest und gerne fotografierst, schnappst du dir deine Kamera und machst Bilder vom Geschehen.
Gleiche Zeit nur ein anderer Ort, circa 20 Kilometer von deiner Straße weg:
Um
3:31 Uhr wird ein 35-jähriger Familienvater, der beruflich Fotograf bei der Lokalzeitung ist, durch eine SMS unliebsam aus dem Schlaf geweckt.
In der SMS-Nachricht steht:
"Alarmzeit: 11.05.09-3:31:27 Gottfried-Wilhelm-Weg 27 Schaffhausen brennt Dachstuhl bis 2.OG"
Völlig übermüdet nach einem harten Arbeitstag quält sich der Mann aus dem Bett, versucht möglichst leise zu sein und steigt in sein Auto. Während der knapp
15-minütigen Autofahrt (die Straßen sind Gott sei Dank leer) kommen bei ihm die Fragen auf "Wie stark brennts?", "Sind noch Leute in dem Gebäude?", "Was brennt da überhaupt" oder, für Fotografen das Schlimmste überhaupt, "Komme ich noch rechtzeitig?".
3:50 Uhr:
Der Fotograf kommt am Ort des Geschehens an, schnappt sich seine Kameratasche und schraubt ein entsprechendes Objektiv drauf. Der Dachstuhl steht im Vollbrand. Der Mann geht Richtung Polizeiabsperrung und wird dank seines Presseausweises von der Polizei durchgelassen. Im Vorbeigehen hört der das Klicken einer DSLR - offenbar von einem Anwohner, der mit völlig zerzaustem Haar hinter der Absperrung steht und fotografiert.
Der Fotograf macht seine Arbeit, dokumentiert das Einsatzgeschehen. Parallel dazu ruft er noch einen Redakteur zum Schreiben an, da es sich um die Bibliothek des Ortes handelt und durchaus eine größere Geschichte wird. Als dieser um
4:45 Uhr eintrifft, berichtet der Fotograf ihm kurz und setzt sich anschließend um
5 Uhr wieder in sein Auto. Den Anwohner mit der Kamera hat er nicht mehr gesehen - dem ist es wohl zu kalt und ungemütlich geworden, hat das Fenster in seiner Wohnung geschlossen und sich wieder Schlafen gelegt.
Um
5:30 Uhr fällt der Mann völlig übermüdet wieder in sein Bett, wo er für anderthalb Stunden nochmal einschläft.
In der Redaktion angekommen, berichtet er seinem Redaktionsleiter von dem Brand und zeigt ihm die Fotos. Der ist zufrieden und sagt, dass dies das Seite 1 Bild auf der Lokalseite wird. Zufrieden lässt sich der Fotograf in den Sessel fallen, da er dadurch wieder 50€ (~75 CHF) verdient hat. Um 16 Uhr offenbart ihm sein Chef, dass seine Bilder doch nicht reinkommen, weil wohl ein Anwohner ebenfalls Bilder gemacht hat, die vielleicht nicht ganz so astrein von der Qualität und Bildaufteilung sind, aber für den Druck und die Zeitung durchaus ausreichen. Obendrein will dieser Anwohner kein Geld, da er in der Mail nichts davon sagt. Für die Internetausgabe seien seine Bilder vom Pressefotograf aber drin - also immerhin 15€ verdient.
Übrigens: Der Redakteur, der später dazu gekommen ist, bekommt natürlich sein volles Geld. Denn schließlich werden komischerweise immer nur Bilder eingeschickt, aber keine Texte. Wieso eigentlich? Zuviel Arbeit?
Wir halten also fest: Dieser Pressefotograf lebt von seiner Arbeit, fährt auch nachts raus überall hin in seiner Region und weiß nicht genau, was ihn erwartet und ob er noch rechtzeitig ist (bei einem Verkehrsunfall nur noch den Abschlepper da zu haben, ist echt ******e!) und bekommt dann Bilder von einem Anwohner vorgesetzt, der zufälligerweise nicht schlafen konnte und Fotos zum Nulltarif geschossen hat. Wie wird sich der Pressefotograf wohl fühlen?
Dies soll nicht gegen dich gerichtet sein. Aber leider erlebe ich genau diesen Fall immer häufiger, dass Leute solche Bilder kostenlos anbieten, und bin heilfroh, dass meine Redaktion (bzw. besonders mein Redaktionsleiter) keinerlei Bilder von Amateuren von solchen Unglücken annimmt, wo jemand von der Zeitung selbst ebenfalls anwesend war.
Wenn schon Amateure Bilder anbieten, dann sollen sie auch gefälligst in die Mail reinschreiben, wieviel sie haben möchten. Oder am Besten direkt anrufen und abklären. Doch leider gibt es viel zu viele, die sich einfach nur freuen, ihren Namen in der Zeitung zu sehen, während andere, die davon leben müssen, in die Röhre schauen.
Das musste ich mir jetzt mal von der Seele schreiben
