beiti
Themenersteller
Nicht nur hier im Forum kursieren ja eine Menge Faustregeln für die Fotografie und Videografie. Manche sind sinnvoll, andere weniger. Aber immer stellt sich die Frage, wie man damit umgehen soll: Befolgen, ignorieren, hinterfragen?
Es kommt gelegentlich vor, dass Leute sich allzu stur an Faustregeln halten, ohne sie überhaupt verstanden zu haben. Das führt dann auch zu Fehlschlüssen.
Oder es gibt Leute, die meinen, eine Faustregel sei ein umumstößliches Naturgesetz - und sich dann wundern, wenn andere Fotografen davon abweichen und dennoch nichts Schlimmes passiert.
Andererseits dürften doch die meisten Faustregeln zumindest einen wahren/richtigen Kern haben. Wer immer sie aufgestellt hat, hatte sich ja hoffentlich was dabei gedacht.
Vielleicht gibt es auch welche, die technisch gar nicht mehr passen, aber irrtümlich heute noch weitergereicht werden.
Hier mal ein paar Klassiker für den Einstieg:
Sonne lacht, Blende acht
Die Regel ist uralt - auf jeden Fall aus der Zeit der analogen Fotografie. Es gab anfangs auch Kameras ohne eingebauten Belichtungsmesser - und nicht jeder Einsteiger kaufte sich zur teuren Kamera gleich auch den teuren Belichtungsmesser dazu. Zum Glück hatten Negativfilme viel Belichtungsspielraum; insbesondere Überbelichtung waren kein großes Problem. Die Ansprüche ware auch noch nicht so hoch, denn erst mal war man froh, überhaupt was Erkennbares aufs Bild zu kriegen. Da halfen dann schon ein paar simple Regeln, um je nach Tageszeit und Witterung zumindest grob die Belichtung einzustellen.
Längstmögliche freihändige Belichtungszeit ist der Kehrwert der Brennweite
Auch diese Regel kursierte schon lange vor Internet und Digitalfotografie. Sie bezog sich aufs analoge KB-Format und war von Anfang an nur ein sehr grober Durchschnittswert. Aber damals vergeudete kaum jemand Filme für Testreihen, um die persönliche Verwackelgrenze mit der eigenen Kameras rauszufinden; man vertraute lieber blind dieser Faustregel (und ärgerte sich still, wenn sie mal versagte). Oft versagte sie auch nur deshalb nicht, weil man noch keine so hohen Schärfe-Anforderungen hatte; es gab ja noch keine 100-Prozent-Ansicht, in der man feine Unschärfen bemerkt hätte.
Heute kann man ohne Verbrauchskosten in einer Viertelstunde rausfinden, wann man selber mit der eigenen Kamera zu verwackeln beginnt. Interessanterweise sind die meisten Leute dazu aber dennoch zu faul und vertrauen lieber weiter auf die alte Faustregel. Wer die Versuchsreihe macht, ist oft erstaunt übers Ergebnis - das je nach Kameragewicht, eigener Zitterneigung und eigenem Schärfe-Anspruch durchaus um mehrere Blendenstufen von der Faustregel abweichen kann (und damit sind Bildstabilisatoren noch nicht mal in die Überlegung einbezogen).
Apropos Bildstabilisator: Da werden oft falsche Schlussfolgerungen gezogen, denn die Leute vergleichen Versuchswerte bei eingeschaltetem Bildstabilisator mit der Faustregel und glauben dann, der Stabilisator brächte soundsoviele Blendenstufen Vorteil. Sinnvoll ist der Vergleich natürlich nur, wenn man auch das Verwackeln ohne Bildstabilisator experimentell ermittelt.
Die Schärfentiefe liegt zu 1/3 vor und zu 2/3 hinter der eingestellten Entfernung
So richtig universell gestimmt hat diese Regel noch nie, denn im Nahbereich ist das Verhältnis eher 1:1 und ab einer gewissen Entfernung hat man hinter der Schärfeebene bis Unendlich alles scharf. Das Verhältnis 1/3 zu 2/3 gilt nur in mittleren Einstellentfernungen - und auch da nur sehr ungefähr.
Sicher war die Regel mal gut gemeint und gelegentlich auch hilfreich (z. B. in typischer Porträt-Entfernung). Aber wenn man eben nur diese Faustregel kennt und glaubt, sie sei universell gültig, ist sie eher hinderlich als nützlich.
Die Belichtungszeit für Video sollte immer der Hälfte der Framerate entsprechen
Alte Filmkameras hatten eine sogenannte 180°-Flügelblende, durch die immer die halbe Zeit belichtet wurde, während das Filmfester die andere Hälfte der Zeit für den Filmtransport geschlossen blieb. So wurde immer genau die halbe Zeit zwischen zwei Bildwechseln belichtet, also z. B. bei 24 fps ergab sich 1/48 Sekunde oder bei 75 fps war es 1/150 Sekunde.
Heutige Digitalkameras können beliebig lang belichten - bis hin zur vollen Intervallzeit, weil ja keine Dunkelpause mehr für den Filmtransport benötigt wird. Trotzdem wird in manchen Kreisen behauptet, man müsse aus Gründen der "Sehgewohnheit" weiterhin die "180°-Regel" einhalten. Das geht so weit, dass Nutzer sich beschweren, wenn sie bei 24 fps nur 1/50 Sekunde einstellen können, weil ihre Kamera keine "filmgerechte" 1/48 Sekunde erlaubt.
Tatsächlich ist der genaue Wert aber völlig egal; den Unterschied zwischen 1/48 und 1/50 sieht niemand (auch 1/30 und 1/60 sehen nicht so viel anders aus).
Richtig ist lediglich, dass bei geringen Frameraten (24 oder 25 fps) eine Belichtungszeit von ca. 1/50 Sekunde ein guter Kompromiss zwischen Bewegungsunschärfe und Stroboskop-Effekt ist. Aber da muss es eben nicht exakt die halbe Framerate sein, sondern nur so ungefähr. Langsamere Frameraten als 24 sind sowieso nicht mehr gebräuchlich. Bei schnelleren Frameraten (z. B. 50/60 fps) spielt die Belichtungszeit nur noch eine relativ geringe Rolle für den Bildeindruck.
Eine Regel, die nur in so einem geringen Bereich "gültig" ist (und selbst dort nur näherungsweise), ist als Faustregel eigentlich Unsinn.
Für den Druck sollten Bilder 300 ppi haben
Das ist eigentlich eine sinnvolle Mindestanforderung. Leider wird sie oft missverstanden, da viele Leute (selbst vermeintliche Fachleute in Verlagen etc.) nicht unterscheiden können zwischen der ppi-Zahl, die in den Metadaten einer Datei als Vorschlag gespeichert ist, und der ppi-Zahl, die sich tatsächlich bei einer bestimmten Druckgröße ergibt. Die in den Metadaten der Datei gespeicherte ppi-Zahl sagt nämlich gar nichts über die Qualität aus - im Gegensatz zum tatsächlich sich ergebenden ppi-Wert, der sich aus absoluter Auflösung und gewünschter Druckgröße ergibt. Aber solange man diesen Unterschied nicht kapiert hat, hilft die 300-ppi-Faustregel nichts bzw. führt oft sogar zu Fehldeutungen.
Wer kennt weitere Beispiele?
Es kommt gelegentlich vor, dass Leute sich allzu stur an Faustregeln halten, ohne sie überhaupt verstanden zu haben. Das führt dann auch zu Fehlschlüssen.
Oder es gibt Leute, die meinen, eine Faustregel sei ein umumstößliches Naturgesetz - und sich dann wundern, wenn andere Fotografen davon abweichen und dennoch nichts Schlimmes passiert.
Andererseits dürften doch die meisten Faustregeln zumindest einen wahren/richtigen Kern haben. Wer immer sie aufgestellt hat, hatte sich ja hoffentlich was dabei gedacht.
Vielleicht gibt es auch welche, die technisch gar nicht mehr passen, aber irrtümlich heute noch weitergereicht werden.
Hier mal ein paar Klassiker für den Einstieg:
Sonne lacht, Blende acht
Die Regel ist uralt - auf jeden Fall aus der Zeit der analogen Fotografie. Es gab anfangs auch Kameras ohne eingebauten Belichtungsmesser - und nicht jeder Einsteiger kaufte sich zur teuren Kamera gleich auch den teuren Belichtungsmesser dazu. Zum Glück hatten Negativfilme viel Belichtungsspielraum; insbesondere Überbelichtung waren kein großes Problem. Die Ansprüche ware auch noch nicht so hoch, denn erst mal war man froh, überhaupt was Erkennbares aufs Bild zu kriegen. Da halfen dann schon ein paar simple Regeln, um je nach Tageszeit und Witterung zumindest grob die Belichtung einzustellen.
Längstmögliche freihändige Belichtungszeit ist der Kehrwert der Brennweite
Auch diese Regel kursierte schon lange vor Internet und Digitalfotografie. Sie bezog sich aufs analoge KB-Format und war von Anfang an nur ein sehr grober Durchschnittswert. Aber damals vergeudete kaum jemand Filme für Testreihen, um die persönliche Verwackelgrenze mit der eigenen Kameras rauszufinden; man vertraute lieber blind dieser Faustregel (und ärgerte sich still, wenn sie mal versagte). Oft versagte sie auch nur deshalb nicht, weil man noch keine so hohen Schärfe-Anforderungen hatte; es gab ja noch keine 100-Prozent-Ansicht, in der man feine Unschärfen bemerkt hätte.
Heute kann man ohne Verbrauchskosten in einer Viertelstunde rausfinden, wann man selber mit der eigenen Kamera zu verwackeln beginnt. Interessanterweise sind die meisten Leute dazu aber dennoch zu faul und vertrauen lieber weiter auf die alte Faustregel. Wer die Versuchsreihe macht, ist oft erstaunt übers Ergebnis - das je nach Kameragewicht, eigener Zitterneigung und eigenem Schärfe-Anspruch durchaus um mehrere Blendenstufen von der Faustregel abweichen kann (und damit sind Bildstabilisatoren noch nicht mal in die Überlegung einbezogen).
Apropos Bildstabilisator: Da werden oft falsche Schlussfolgerungen gezogen, denn die Leute vergleichen Versuchswerte bei eingeschaltetem Bildstabilisator mit der Faustregel und glauben dann, der Stabilisator brächte soundsoviele Blendenstufen Vorteil. Sinnvoll ist der Vergleich natürlich nur, wenn man auch das Verwackeln ohne Bildstabilisator experimentell ermittelt.
Die Schärfentiefe liegt zu 1/3 vor und zu 2/3 hinter der eingestellten Entfernung
So richtig universell gestimmt hat diese Regel noch nie, denn im Nahbereich ist das Verhältnis eher 1:1 und ab einer gewissen Entfernung hat man hinter der Schärfeebene bis Unendlich alles scharf. Das Verhältnis 1/3 zu 2/3 gilt nur in mittleren Einstellentfernungen - und auch da nur sehr ungefähr.
Sicher war die Regel mal gut gemeint und gelegentlich auch hilfreich (z. B. in typischer Porträt-Entfernung). Aber wenn man eben nur diese Faustregel kennt und glaubt, sie sei universell gültig, ist sie eher hinderlich als nützlich.
Die Belichtungszeit für Video sollte immer der Hälfte der Framerate entsprechen
Alte Filmkameras hatten eine sogenannte 180°-Flügelblende, durch die immer die halbe Zeit belichtet wurde, während das Filmfester die andere Hälfte der Zeit für den Filmtransport geschlossen blieb. So wurde immer genau die halbe Zeit zwischen zwei Bildwechseln belichtet, also z. B. bei 24 fps ergab sich 1/48 Sekunde oder bei 75 fps war es 1/150 Sekunde.
Heutige Digitalkameras können beliebig lang belichten - bis hin zur vollen Intervallzeit, weil ja keine Dunkelpause mehr für den Filmtransport benötigt wird. Trotzdem wird in manchen Kreisen behauptet, man müsse aus Gründen der "Sehgewohnheit" weiterhin die "180°-Regel" einhalten. Das geht so weit, dass Nutzer sich beschweren, wenn sie bei 24 fps nur 1/50 Sekunde einstellen können, weil ihre Kamera keine "filmgerechte" 1/48 Sekunde erlaubt.
Tatsächlich ist der genaue Wert aber völlig egal; den Unterschied zwischen 1/48 und 1/50 sieht niemand (auch 1/30 und 1/60 sehen nicht so viel anders aus).
Richtig ist lediglich, dass bei geringen Frameraten (24 oder 25 fps) eine Belichtungszeit von ca. 1/50 Sekunde ein guter Kompromiss zwischen Bewegungsunschärfe und Stroboskop-Effekt ist. Aber da muss es eben nicht exakt die halbe Framerate sein, sondern nur so ungefähr. Langsamere Frameraten als 24 sind sowieso nicht mehr gebräuchlich. Bei schnelleren Frameraten (z. B. 50/60 fps) spielt die Belichtungszeit nur noch eine relativ geringe Rolle für den Bildeindruck.
Eine Regel, die nur in so einem geringen Bereich "gültig" ist (und selbst dort nur näherungsweise), ist als Faustregel eigentlich Unsinn.
Für den Druck sollten Bilder 300 ppi haben
Das ist eigentlich eine sinnvolle Mindestanforderung. Leider wird sie oft missverstanden, da viele Leute (selbst vermeintliche Fachleute in Verlagen etc.) nicht unterscheiden können zwischen der ppi-Zahl, die in den Metadaten einer Datei als Vorschlag gespeichert ist, und der ppi-Zahl, die sich tatsächlich bei einer bestimmten Druckgröße ergibt. Die in den Metadaten der Datei gespeicherte ppi-Zahl sagt nämlich gar nichts über die Qualität aus - im Gegensatz zum tatsächlich sich ergebenden ppi-Wert, der sich aus absoluter Auflösung und gewünschter Druckgröße ergibt. Aber solange man diesen Unterschied nicht kapiert hat, hilft die 300-ppi-Faustregel nichts bzw. führt oft sogar zu Fehldeutungen.
Wer kennt weitere Beispiele?