Hallo,
"Wenn man hier so mit liest, dann bekommt man den Eindruck, dass für die meisten Fotografie Selbstzweck ist."
Wie halt fast jedes Hobby - wenn du Selbstzweck mit Spaß und den vielen anderen schon genanten "weichen" Gründen gleichsetzt ist das doch auch i.O.
Welchen tieferen Sinn und Zweck haben solche Sachen wie Modellbau, Bergsteigen, Bungeespringen, Sammlungen aufbauen ?
Ist doch alles der Spaß, das Interesse an der Sache an sich - so funktioniert ein echtes Hobby.
Na ja, auf der einen Seite stimmt das schon - die Frage "warum übst du das und das Hobby aus?" lässt sich schwer konkret und schlüssig beantworten.
Die wenigsten entscheiden sich ja mMn bewusst und begründet für ein Hobby, sondern rutschen da nach und nach rein oder fangen aus Interesse, nur mal so, weil der Partner es macht, weil es interessant klang, weil es ein Angebot gab etc. damit an und bauen ihr Interesse nur nach und nach aus, so dass später kein einzelner Anfang und Grund mehr erkennbar ist.
In meinem Fall sind es folgende Gründe:
- Bewussterers Wahrnehmen: Mit Kamera oder Fotografieabsicht nehme ich einfach die Umgebung anders und intensiver wahr als wenn ich nur spazieren gehe.
Dazu kommt noch:
- "Nachhaltiges Wahrnehmen" oder vielleicht auch Dokumentieren: Ich gehöre leider nicht zu den Menschen, die sich ein detailliertes Bild vor Augen führen können, wie wenige Menschen, die ich kenne, die aus dem Gedächtlnis zeichnen können und dabei Menschen oder Gegenstände detailgetreu vor Augen sehen.
Insofern hilft mir die Kamera, Erlebtes, hier vor allem Gesehenes, festuzuhalten, mir wieder vor Augen zu führen.
- Gestalten: Gerade im Bereich Stillleben/ Foodfotografie kann man mit einfachen Mitteln selbst gestalten, etwas darstellen, wie man es sonst vielleicht nicht so wahrnimmt oder gern wahrnehmen oder zeigen möchte (mal ehrlich, wie nachhaltig nimmt man einen Smoothie, den man sich mal schnell zum Frühstück gemacht hat, normalerweise wahr?
).
- Bei mir kommt noch hinzu, dass ich immer wieder fasziniert von Farbe und Form war und dies eben auch beim Einkaufen. Früher habe ich nur gekauft, womit ich konkret kochen wollte, heute kaufe ich auch gern mal der Form und Farbe wegen und experimentiere vorher ein wenig mit Obst und Gemüse + Kamera, bevor es ans Kochen und Essen geht.
- Dokumentation: Vor zwei Wochen starb ein Familienmitglied, das ich in den letzen Jahren sehr viel fotografiert hatte, weil die Eltern sich getrennt hatten und meine Fotos die einzigen waren, die der entfernt lebende Vater erhielt.
Inzwischen sind es die einzigen aus den letzen Lebensjahren, die auch als Erinnerungs- und "Trauerhilfe" wichtig geworden sind.
- Zeigen, was man sonst nicht so wahrnimmt: Durch Kurze oder lange Verschlusszeiten, also Langzeitbelichtungen oder schnelle Bewegungen bei Tieren und ggf. Menschen. Auch bei Makroaufnehmen sieht man erst durch den Sucher, was man da aufnehmen kann, mit bloßem Auge sieht man etwas anderes und ohne das Objektiv oder die Vorsatzlinse würde man das Motiv so gar nicht wahrnehmen können (außer auf Bildern von anderen).
Allg. interessiert mich an Bildern eher weniger die Geschichte, die mir meist nicht bewusst ist, sondern die Farben, die Stimmung, ggf. auch Gefühle, die ich aber meist nicht unbedingt artikulieren kann.
Bildfeedack ist für mich schwierig, weil ich tatsächlich meist ein "schönes Bild" wahrnehme, ohne dass ich Worte daran knüpfen könnte (mit Texten ist dies für mich deutlich einfacher).
Allg. hatten für mich Bilder auch schon immer eine große Kraft, entweder Gefühle oder seltener Erinnerungen zu erzeugen, wobei die Gefühle oft durch intensive Farben ausgelöst wurden auf Fotos und gemalten Bildern.
Für mich haben Bilder dabei eine ähnliche Wirkung wie Musik und das Fotografieren ist evtl. ähnlich dem Spielen eines Instrumentes, wobei man das, was man genießt, selbst herstellen kann.
Wenn man so darüber nachdenkt, ist es mit dem Kochen ähnlich!
Die Kamera führt mich auf jeden Fall an Orte, die ich sonst so nicht aufgesucht hätte, da ich sonst meist zielgerichtet durch die Gegend laufe und nicht wie andere so zum Spaß spazieren gehen und mir die Gegend anschauen würde.
Mit Kamera ist das etwas anders, weil ich einen Fokus
habe, etwas, worauf ich mich konzentrieren und wodurch ich die Umgebung eben anders, bewusster, interessierter wahrnehmen kann.
LG
Frederica