Weiß jemand ob etwas daran ist an dem Gerücht, die X20 macht die DR-EXR Modi rein in Software, während es bei der X10 noch via EXR Prozessor direkt lief?
Welcher Sensor jeweils in welcher Kamera arbeitet, ist natürlich bekannt, insofern wüsste ich nicht, welche "Gerüchte" hierzu im Umlauf sein sollten oder könnten?
Übrigens verfügt auch die X10 (genau wie die Kameras der meisten anderen Hersteller) über eine konventionelle Dynamikerweiterung mit Hilfe von Unterbelichtung und anschließender Tonwertkorrektur (TWK) der RAW-Datei. Diese Methode kann man bei der X10 sogar mit ihrer eigentlichen, sensorbasierten Dynamikerweiterung (EXR DR) verbinden, um auf diese Weise die Modi Dynamikmodi DR800% und DR1600% zu konstruieren. Der besondere Qualitätsvorteil der X10, XF1, X-S1 und aller anderen Kameras mit EXR-Sensor liegt allerdings gerade darin, dass die Realisierung der DR-Modi DR200% und DR400% nicht per Software, sondern hardware-seitig über zwei unterschiedliche Belichtungen der beiden "Halbsensoren" erfolgt, die anschließend im RAW-Konverter (wie bei HDR) zu einem Gesamtbild verrechnet werden. Das ist das Prinzip des EXR-Sensors.
Die X20 arbeitet hier jedoch genauso konventionell wie andere Kameras ohne EXR-Sensor, muss Farben und Tonwerte bei aktiver Dynamikerweiterung also aus den um 1-2 Blendenstufen unterbelichteten Schattentönen der RAW-Datei herausarbeiten. Bei dieser Methode werden Tonwerte zunächst komprimiert und anschließend wieder dekomprimiert. Dieses Verfahren ist keineswegs verlustfrei, dabei treten naturgemäß Störungen und Artefakte auf, und zwar umso mehr, je stärker diese Kompression ausfällt und je mehr ohnehin schon dunkle Motivbereiche von der Kompression betroffen sind. Stellt man den Schattenkontrast im Modus DR400% dann auch noch auf weich (-2), geht die Tonwertkorrektur der Schatten sogar in Richtung 3 EV, die Dekompression führt also zu einer zusätzlichen Tonwertspreizung und entsprechend noch deutlicher sichtbareren Artefakten. In einem externen RAW-Konverter wie Lightroom kann man sogar noch drastischer korrigieren – und die Störungen damit noch stärker herausarbeiten.
Genau das habe ich bei meinen ersten Testaufnahmen getan, denn natürlich gilt unser Interesse als X20-Besitzer (oder solchen, die es vielleicht werden wollen, sowie allen X10- und anderen EXR-Umsteigern) zuerst den Schwachstellen, die sich aus der Theoriediskussion im Vorfeld aufgedrängt haben. Hier gilt es, Theorie und Praxis abzugleichen, die Ergebnisse zu sichten und daraus Empfehlungen für die Handhabung der Kamera abzuleiten, um mit der jeweiligen Kamera die bestmöglichen Resultate zu erzielen.
Ich habe unlängst einen
grundsätzlichen Artikel über die Möglichkeiten geschrieben, den Dynamikbereich von Kameras zu erweitern. Dabei ging es schwerpunktmäßig um die beschriebene Software-Lösung, die man aufgrund der sich dabei zwangsläufig ergebenden ISO-Anhebung auch als "ISO DR" bezeichnen kann, um sie von anderen Methoden wie EXR DR abzugrenzen.
Das Foto, mit dem ich die Grenzen der Kamera gestern ausgelotet habe, sieht in Wirklichkeit (also ohne TWK), da es sich um eine um zwei EV knapper belichtete DR400%-Aufnahme handelt, ungefähr so aus:
Aus dieser gegenüber einer normalen (= DR100%) Messung um 2 EV unterbelichteten RAW-Datei macht die JPEG-Engine der Kamera per automatischer Tonwertkorrektur dann dieses JPEG:
DSCF0130 - DR400, Provia by
ricopress, on Flickr
Dass hierbei Störungen sichtbar werden, ergibt sich zwangsläufig aus dem Ausmaß der Tonwertanhebung und dem speziellen Motiv, zumal die Schatten bei der Entwicklung dieser Aufnahme in der Kamera auch noch auf "Weich" (-2) gestellt wurden und mit Provia die im Schattenbereich kontrastärmste Gradation verwendet wurde. Das Ganze schreit also förmlich danach, dass Störungen auftreten, und es wurde alles getan, um diese Störungen so prominent wie möglich hervortreten zu lassen. Genau das war bei dieser Aufnahme beabsichtigt, denn auf diese Weise können wir nicht nur die Störungen selbst beurteilen, sondern auch sehen, wie die Rauschunterdrückung der Kamera mit ihnen umgeht. Und wir können vergleichen, wie externe RAW-Konverter mit solchen unterbelichteten RAW-Dateien umgehen.
Aus diesem Grund wurde die Datei in Lightroom noch einmal deutlich weiter gepusht als in der Kamera, mit dem bekannten Ergebnis:
S0020070 - DR400% by
ricopress, on Flickr
Dass überhaupt noch etwas zu erkennen ist, ist eigentlich ein kleines Wunder, schließlich haben wir es mit einer Kompaktkamera mit 2/3"-Sensor zu tun und nicht mit einer Kamera mit Kleinbildsensor, bei denen solche gravierenden Eingriffe auch nicht störungsfrei abgehen.
Die Hinweise auf in den EXIFs angezeigte ISO-Werte sind entsprechend deplatziert, denn natürlich haben die auftretenden Störungen ihren Ursprung in der extremen Tonwertkorrektur eines bildwichtigen, detailtragenden Motivbereichs, der in einer ohne TWK entwickelten RAW-Datei nahezu komplett schwarz dargestellt wird. Tatsächlich wurde die Aufnahme von der Sensorverstärkung her mit ISO 100 gemacht und abgespeichert. Die Störungen in den mit Lightroom um etwa 3-4 EV angehobenen Bildbereichen erwecken freilich einen anderen Eindruck.
Wenn man erkannt hat, welches Ausmaß an TWK-Anpassungen eine Kamera gut und welches sie weniger gut verkraftet, kann man sich eine Strategie überlegen, um mit der Kamera die bestmöglichen Bildergebnisse zu erzielen.
Eine solche Strategie beginnt bei den Einstellungen, etwa dem Versuch, einer als zu stark empfundenen Rauschunterdrückung in den Schattenbereichen von DR200%- und DR400%-Aufnahmen dadurch entgegenzuwirken, dass man die Rauschunterdrückung in den Kameraeinstellungen zurückfährt. Das habe ich heute deshalb bei meinen Testaufnahmen getan und die Ergebnisse im
X20 vs. X10 Set gezeigt. Eine ausführliche Kommentierung erfolgt am Freitag in meiner X-PERT CORNER Kolumne auf Fujirumors.
Aus den Bildvergleichen kann man ableiten, dass der X20-Fotograf von einer konservativen Anwendung der DR-Funktion hinsichtlich der Bildqualität profitieren dürfte. Ebenfalls lässt sich erkennen, dass ein externer RAW-Workflow mit Silkypix 5 oder Lightroom 4.4RC geeignet scheint, in aufgehellten Schattenpartien mehr Details zu zeigen als dies mit dem eingebauten RAW-Konverter möglich ist. Für den eingebauten Konverter empfiehlt sich konsequenterweise eine Grundeinstellung der Rauschunterdrückung von -1 mit einer Option auf -2. Natürlich ist das Geschmacksache, der Tenor hier im Forum scheint jedoch in die Richtung zu gehen, dass man für mehr Schattendetails durchaus bereit ist, mehr Rauschen bzw. mehr Störungen zu akzeptieren, insbesondere dann, wenn diese Störungen die Anmutung von Filmkorn haben. "Klumpen" und "Patzer" erscheinen im Vergleich dazu deutlich weniger attraktiv.
Daraus ergibt sich für mich nach einem Tag mit der X20 als erste Handlungsempfehlung, die Kamera eher wie eine X100(S), X-E1 oder X-Pro1 zu belichten und nicht wie eine EXR-Kamera. Diverse Empfehlungen zu den praktischen Aspekten einer ETTR-Belichtung mit Hilfe des Live-Histpgramms gibt es in verschiedenen Foren (etwa hier oder in den diversen deutschen und amerikanischen X-Foren), in Blogs (etwa meiner X-PERT CORNER) und Büchern (wie meinem "Fujifilm X-Pro1 Handbuch"). Dennoch werde ich das Thema in den nächsten Wochen sicherlich für mich vertiefen und versuchen, weitere praktische Erfahrungen zu sammeln.
Die X20 sieht zwar aus wie eine X10 und funktioniert auch von der Bedienung her ganz ähnlich, jedoch sollte man mit ihr nicht unbedingt wie mit einer X10 fotografieren, wenn man Vorteile wie die verbesserte Detailauflösung praktisch genießen möchte.