Du könntest aber beispielsweise durch geschickte Auswahl des Standpunktes und geeigneter Brennweite einen vorn in der Szene liegenden Gegenstand "ausblenden",indem Du näher an den Zaun gehst, und eine kürzere Brennweite nimmst. Und dann eben sagen. Wie sie sehen, lag da keine Heugabel auf der Wiese vor Zaunpfahl 3 und 4. Das zeigt dieses Foto ganz eindeutig.
Es geht hier nicht um das Ausblenden oder Weglassen von Gegenständen, sondern um die Einschätzung von Distanzen, Entfernungen und die Raumtiefe.
Der Aufnahmestandort (auch dessen Höhe) ist alleine entscheidend für die Perspektive.
Die Brennweite beeinflusst Ausschnitt und Bildwirkung.
Keine Einwände, aber der Begriff der „Bildwirkung“ ist mir etwas zu abstrakt.
Machen wir doch mal eine Vergleichsanalyse und gehen wir davon aus, dass nur das erste Bild, welches mit der Normalbrennweite gemacht wurde, den Raum naturgetreu wiedergibt oder simuliert.
Was für eine unterschiedliche „Bildwirkung“ haben denn dann die anderen Bilder?
Ihr könnt ja gerne widersprechen, wenn ich was Falsches sage:
Auf dem zweiten Bild, welches mit der langen Brennweite geschossen wurde, bekomme ich jedenfalls den Eindruck, dass der Abstand zum Zaun kürzer ist. Der Zaun scheint nicht weit entfernt zu sein, und auch die Distanz zum angrenzenden Wald ist kurz. Das Wiesengrundstück dazwischen mag nicht sonderlich groß sein. Zaun und Wald scheinen nur einen Steinwurf oder Katzensprung voneinander entfernt zu sein. Man bekommt einen falschen Eindruck von der Raumtiefe, wenn man das Normalbild als "wahr" postuliert.
Eine entgegengesetzte Bildwirkung vermittelt die Weitwinkelaufnahme. Für mich sieht das so aus, als ob die Distanzen größer sind. Es scheint, als müsse man schon einen kleinen Fußmarsch einplanen, um vom Aufnahmestandort zu dem angrenzenden Wald zu kommen. Das Wiesengrundstück erscheint mir recht stattlich. Mit einem Steinwurf, um es zu überwinden, ist es nicht getan. Man bräuchte schon Pfeil und Bogen oder eine Armbrust, um den Wald zu erreichen, zumindest wenn man bis zum Zaun geht und von dort schießt. Auch hier wird man über die Tiefe des Raumes getäuscht, was einen Richter zu Beanstandungen veranlassen könnte. Ein Zeuge, dem eine solche Fotografie zur Erinnerungs-Auffrischung vorgehalten wird, könnte sagen: Nein, so groß und weit war das alles nicht!
Die unterschiedliche „Bildwirkung“ liegt für mich in den wahrgenommen Distanzen oder Entfernungen der einzelnen Bildbestandteile zueinander.
Wie gesagt, Einwände sind willkommen. Wenn jemand der Ansicht ist, das Telebild sei ein Stillleben von zwei Zaunpfählen, das Weitwinkelfoto eine wunderschöne Landschaftsaufnahme und das Bild, welches mit der Normalbrennweite geknipst wurde, nichtssagendes 08/15-Geschmiere, dann ist das ok.
Für mich stellen sich jedenfalls folgende Anschlussfragen:
Wie soll man die unterschiedliche "Bildwirkung" bezogen auf wahrgenommene Distanzen nennen, damit das Kind einen Namen hat?
Vielleicht perspektivische Verzerrung?
NEIN, unter gar keinen Umständen. Die Perspektive ist auf allen Bildern identisch.
Tiefentäuschung?
Klingt zu negativ.
Wie wäre es mit Weitwinkelverzerrung/„Streckungseffekt“ und Televerzerrung/“Kompressionseffekt“?
Ja, warum sollte man sich nicht dieser Begriffe bedienen? Sieht es denn auf der Teleaufnahme nicht so aus, als sei der Wald ganz nah, als würde der Raum kompressiert/verdichtet? Und entsteht nicht durch die Weitwinkelaufnahme der Eindruck, als würde der abgebildete Raum in die Tiefe gestreckt werden, so dass alles weiter weg erscheint?
Einige werden jetzt bestimmt aufschreien: Es wird aber an dieser Stelle nicht behauptet, dass ein Weitwinkelobjektiv die Perspektive streckt und das ein Teleopjektiv die Perspektive kompressiert.
Es wird auch nicht behauptet, dass die Brennweite einen physikalischen oder naturgesetzlichen Einfluss auf die Perspektive hat.
Es wird nur gesagt: Ein Weitwinkelobjektiv scheint den Raum zu strecken, ein Teleobjektiv zu verdichten, so dass Distanzen von abgebildeten plastischen Gegenständen zueinander verzerrt (h.e. entweder verdichtet oder gestreckt) dargestellt werden. Dabei ist die Gegenstandsweite oder Perspektive egal. Diese Effekte sind ständige Begleiter, egal wo man sich hinstellt (Ausnahme: ausschließlich flache Motive ohne Tiefen-Ausdehnung, die genau lotrecht fotografiert werden, z.B. ein Schachbrett; hier dürften die beschriebenen Effekte nicht zum Tragen kommen).
Und jetzt die interessanteste Fragen:
Was genau verursacht diese Weitwinkel- und Televerzerrung auf den Beispielbildern und warum soll ein Normalobjektiv den Raum oder die Distanzen angeblich verzerrungsfrei wiedergeben?
Aufnahmestandort oder Perspektive sind es jedenfalls nicht.
Es kann auch nicht an den Größenverhältnissen liegen. Wie bereits festgestellt, sind die Größenverhältnisse auf allen Bildern identisch (es ist eigentlich überflüssig dies eigens zu erwähnen, da ja bereits festgestellt wurde, dass die Perspektive auf jedem Bild gleich ist).
Liegt es vielleicht daran, dass eine Teleaufnahme im Gegensatz zu einer Aufnahme mit Normalbrennweite zu wenig Bildinformation liefert, um die Raumtiefe korrekt beurteilen zu können?
In diesem Fall müsste doch das Mehr an Bildinformationen auf der Weitwinkelaufnahme zur Beurteilung der Entfernungen noch besser sein.
An vorhandenen Bildinformationen kann es also auch nicht liegen.
Woran denn dann?
LG
Rick