Menschen 'sehen' nur für den Bereich 'scharf' - oder besser 'deutlich', auf dem ihr Fokus, ihre Konzentration legt. Alles drumherum verschwimmt zu mehr oder weniger farbigen Flächen. Und selbst dieser 'scharfe' Bereich ist eigentlich winzig ; er erscheint uns nur deshalb mehr oder weniger ausgeweitet, weil das Auge ihn so schnell abscannt, dass das Gehirn mit einem 'bewussten' Aufdröseln in Einzelbilder 'überfordert' ist und es umgehend zu einem Ganzen zusammenfügt. Daher entsteht in der menschlichen Wahrnehmung so gut wie nie der Eindruck von 'Unschärfe'.Dann erklär mal wie es "gucken" funktioniert.
Insofern geht diese 'Meinung' hier
fehl, als der eben beschriebene 'Prozess' bei allen Menschen halbwegs intakter Gesundheit gleich ist. Vollständig losgelöst von 'Inhalt' und ganz weit weg von 'Geschmack'."Gucken" tut längst nicht jeder GLEICH...btw...mal wieder das Thema Tiefenschärfe...Frage des Gusto...warum wird hier immer wieder versucht da eine Norm (in der freien Fotografie) zu etablieren...
es geht doch nicht um Produktfotografie von technischen Gerätschaften...
Weiter entfernte und erst recht flächige Szenerien scannt das Auge als allererstes nach den Bereichen des grössten Kontrastes (bzw. der ganzen feinen Palette von Kontrasten), das ist nahezu immer der 'Einfallspunkt' in ein Bild. Danach erfolgt die Perzeption von Konturen | Formen (erst einmal zweidimensional, die Anglophonen nennen es 'shape', und - da kommt dann eine 'andere Art des Sehens' ins Spiel - bei den Geübten in Rechtecken, Dreiecken, Kringeln) und schlussendlich alles 'menschliche'.
Der Erschaffer einer flächigen Darstellung (Maler | Zeichner | Grafiker | Fotografen) wird auf dieser Grundlage mit einer ganzen Reihe an visuellen Hilfsmitteln (Stichwort Wahrnehmungspsychologie und 'Gestalt' und dem Rattenschwanz, der davon abgeleitet ist) dafür Sorge tragen, dass der Rezipient da hingeführt wird, wohin er das gerne hätte. Damit vermeidet er | sie ein Unwohlsein, was denn nun eigentlich ausgedrückt werden soll. Denn es ist diese Fläche, die (bei normalen Betrachtern aus normalem Abstand) zunächst in Gänze abgescannt wird. Eine 'Reise' über, in und durch eine solche Fläche findet das Gehirn (meist unbewusst ablaufend) interessant, weil das Urbedürfnis nach Entdeckung, Neugierde befriedigt wird. Je umfangreicher ein Wissensschatz (als Teil des studium nach Barthes), desto interessanter, mitnehmender, faszinierender kann das sein.
Wer sich auch nur etwas mit solchen Sachen beschäftigt stellt recht zügig fest, dass Offenblende, wenn, dann in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle in effectu lediglich unterstützend sinnvoll ist. Oder um im Zusammenspiel mit Körperhaltungen und Hintergründen und Farben und Licht Licht Licht ihren Anteil an einer hervorzurufenden, beabsichtigten Stimmung haben soll. Deren Vorhandensein vor allem bei in passendem Abstand geschaffenen Portraits sorgt z.B. subtil dafür, dass mit dieser Unschärfe eine Zerbrechlichkeit, häufig ein Beschützerinstinkt, ein in-sich-Gekehrtsein, eine Abwesenheit von der Aussenwelt, ein 'Einblick' in das Seelenleben beim Betrachter ausgelöst werden. Tatsächliche Fotografen können derlei begründen, oft genug zwar auch 'erst' beim (späteren) Begutachten, wenn das Bewusstsein die Intuition 'begreift' ; auf jeden Fall werden 'Misstände' aber vor einer wie auch immer gearteten Veröffentlichung erkannt.
So ist
als (immerhin mal eine) 'Begründung' zwar hübsch zurechtgebaut, indes als Gedankengang aus einem vollkommen anderen Beweggrund heraus entlarvend und deutlich verspätet. Denn wenn es auf "Nähe und die Augen" angekommen wäre bereits beim Machen, aus welchem Grund wird dann noch ein zentral positionierter, unangenehm ablenkender Malus hinzugefügt ? Die Sklera allein reicht als 'ziehender Kontrast'. Aber so ist da noch etwas, das unserem 'normalen' Empfinden zuwiderläuft und unwillkürlich zu einem Hin und Her nötigt, statt einen Pol zu finden. Alles andere von dem gerade eben Angeführten ist für mich abwesend. So bleibt denn auch diese Darstellung gefangen in einem "weil ich es habe" und reiht sich ein in einen ad infinitum dahinrauschenden Strom ermüdend repetitiver Darstellungen der Abgebildeten.schau ihr tief in die Augen. Nur in die Augen. Dann siehst du auch nur diese scharf und dann ist auch die Nase unscharf. Und das lässt sich am besten so darstellen. Genau deswegen heiß das Bild ja "Nähe". Es ist eben kein einfaches Portrait, was nur nah aufgenommen wurde.
'Hübsch' ist einfach, bringt - offensichtlich - die ersehnten, jedoch meist gedankenlos einfältigen Streicheleinheiten und bleibt realiter doch so weit von etwas auch nur ansatzweise 'Besonderem' entfernt.
“Without an understanding of media grammars, we cannot hope to achieve a contemporary awareness of the world in which we live”, wie McLuhan das Dilemma des visuellen Unvermögens bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts auf den Punkt gebracht hat, und führt direkt in die aktuell höchst relevanten Baudrillard'schen simulacres, wie sie hier von einigen wieder und wieder eindrucksvoll dargelegt und mit schulterklopfend aufgereckten Daumen bestätigt werden.